Für das das BURDA Magazin Gartenträume durfte ich diesmal als nach Frankreich reisen.
Der Anblick ist spektakulär. Festlich angestrahlt zeichnet sich die majestätische Skyline von Chambord vom nächtlichen Himmel ab. Mit seiner außergewöhnlichen Dachlandschaft, den Giebeln und Gauben, Türmen, Schornsteinen und Zinnen erscheint das größte der Loire-Schlösser wie aus einem Märchen. Ich als Fotograf staunte. Märchenhaft ist auch das, was im Advent innerhalb der Mauern geschieht. Mit der Weihnachtsdekoration, den Tannenbäumen und Lichtern hat auch der wildreiche Wald von Chambord das Schloss erobert. So können Besucher zwischen schneebedeckten Bäumen in der Eingangshalle spazieren, selbst wenn sich draußen der Winter noch nicht gezeigt hat. Der verwunschene Forst zieht sich bis zur monumentalen Innentreppe, wobei auch seine tierischen Bewohner, Hirsch, Reh und Wildschwein dargestellt sind. Auch der Hausherr ist vertreten. Ehrfurchtgebietend blickt Franz I. (1494-1547) von einem Gemälde am Eingang herab. Der französische König liebte Parforcejagden, die schönen Künste, Feste und den Prunk des Hofes. Im Schloss an der Loire kulminierten augenscheinlich seine Träume. Der Palast ist mit seinen 440 Räume, 365 Feuerstellen und 84 Treppen, sowie dem 6,5 Hektar großenFranzösischen Garten insgesamt ein Haus der Superlative, wobei die doppelläufige,ineinandergreifende Wendeltreppe im Herzen des Schlosses unbestritten zu den Höhepunktenzählt. Spiralförmig bis unter das Dach windet sich die außergewöhnliche Konstruktion, durch die Menschen in den beiden Umläufen unbemerkt voneinander in die oberen Stockwerke gelangen. Die geniale Idee zur Treppe soll übrigens von Leonardo da Vinci stammen. Franz I. hatte den italienischen Künstler 1516 an seinen Hof in Amboise geholt. Zugegeben, der luftig-elegante Aufstieg trägt auch zu einem eher unangenehmen Umstand bei. Chambord geriet zwar prunkvoll, war aber trotz der vielen Feuerstellen kaum beheizbar und damit im Grunde auch nicht bewohnbar. Den König schien das nicht zu stören. Er hielt sich stets nur ein paar Tage im Jahr dort auf und nahm die Möbel dann wieder mit. Vollständig eingerichtet ist Chambord auch heute nicht. Alles wirkt so, als wäre Franz I. noch immer im Tal der Loire und ihren Nebenflüssen Indre, Vienne und Cher unterwegs. Er war nicht der erste, der die Schönheit der Flusslandschaft im Herzen Frankreichs für sich entdeckte und von hier aus seine Regierungsgeschäfte betrieb. Ende des 15. Jahrhunderts ließ König Karl VIII. die bestehende Festung Amboise nach italienischem Vorbild im Renaissancestil umbauen. Nur wenig später verstarb er, weil er sich den Kopf zu heftig an einem niedrigen Türdurchbruch gestoßen hatte. Seine Nachfolger, Ludwig XII. und Franz I. setzten seine Arbeit fort. Das Schloss oberhalb der Stadt Amboise gilt seitdem als Wiege der Renaissance. Mit der Bautätigkeit der Könige zog der Adel gleich. Entlang des Flusses entstanden zahlreiche Schlösser. Paris geriet zur Provinz. Erst nachdem der Hof in die heutige Hauptstadt zurückgekehrt war, änderte sich die Situation. Die prächtigen Schlösser an der Loire wurden zu Jagdschlössern und Sommerresidenzen. Man kann es sich heute kaum vorstellen, wie beschwerlich die Anreise damals gewesen sein musste. Heute rauscht man mit dem Höchstgeschwindigkeitszug Thalys bis Paris und von dort ins „Tal der Schlösser und Könige“. Nach ungefähr einer Stunde erreicht man mit dem Zug ab Paris-Montparnasse den Bahnhof in Saint-Pierre-des-Corps in Tours, wo man gemütlich auf das Fahrrad umsatteln kann. 900 Kilometer misst der ausgewiesene Radweg La Loire à Velo, der dem Fluss folgt bis dieser bei Saint-Brévin-les-Pins in den Atlantik mündet. Ach, so ein Ferienhäuschen – pardon Sommerresidenz hätte man auch gerne, fällt einem als erstes zum berühmten Schloss Chenonceaux nahe Tours ein. Am Ufer der Cher überspannt ein Teil des Schlosses auch das Flüsschen. Die mehrbogige Brücke mit der doppelstöckigen Galerie brennt sich wie ein Screenshot ins Gedächtnis ein. Ihre Auftraggeberin Katharina de Medici nutzte den dort befindlichen Festsaal auch für das berühmte „Souper der nackten Frauen“, das sie für ihren Sohn Henri III. Veranstaltete. Die Dame muss nicht nur einen Hang zur Exzentrik, sondern auch zur Eifersucht gehabt haben.
Das Schloss war ein Geschenk ihres Mannes Heinrich II. An Diana de Poitiers. Nach seinem Tod setzte die Königin die Nebenbuhlerin kurzerhand vor die Tür und legte neben dem Garten der Geliebten ihren eigenen an. Noch heute kann man in den kunstvollen Bosketten die Intrigen der Medici lesen. Auch beim Spaziergang durch das Schloss fällt es leicht, sich die rauschenden Feste von damals vorzustellen. Allwöchentlich werden bis zu 150 Blumensträuße als Schmuck für die Räume des Schlosses zusammengestellt. In der Weihnachtszeit avancieren sie zu floralen Kunstwerken. „Wir wollen, dass das Schloss durch die Blumen noch wohnlicher und einladender wirkt“, sagt die heutige Schlossherrin und Konservatorin Laure Menier. Erinnerungen an die Vergangenheit werden auch bei dem Besuch der historischen Städte entlang des Flusses wach. Auf einer Insel der Indre steht in Azay-le-Rideau ein eleganter, kleiner Palast, der sich mitunter betörend im Wasser spiegelt. Große Worte fand Honoré de Balzac für dieses Schlösschen aus der Renaissance, den er als „ein Facetten geschliffener Diamant, eingefasst in die Indre“ beschrieb. An Weihnachten kommt im Schloss auch ein vermeintlich alter Werkstoff zu neuen Ehren. Aus Papier entstehen Skulpturen, sogar kulinarische, wie etwa das opulente Kuchenbuffet. In Villandry, wo die berühmten Gärten des Schlosses sogar im Winter aussehen, als wären sie mit Lineal und Zirkel gezogen, spielt die Architektur scheinbar nur eine Nebenrolle, wenngleich eine besonders bezaubernde. Auch das Schloss gehört zu jenen Adressen im Loire-Tal, die mit ihren festlichen und blumenreichen Dekorationen im Advent für Furore sorgen und die Besichtigungen der Schlösser zu dieser ungewöhnlichen Jahreszeit unvergesslich werden lassen. Fotograf im schönen Franreich. Ich komme gerne wieder und besuche dieses schöne Land. Gerne auch zur Sommerzeit!
Manfred Daams (Fotograf) // Petra Kroll (Text und Produktion)
Ein schöner Ort für den Fotografen